So entstand mein „Heilender Garten“

Die ersten Impulse für meinen „Heilenden Garten“ gehen bis in meine Kindheit zurück. Man könnte annehmen, dass mein Elternhaus mich schon früh für die Natur inspirierte, denn meine Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft und verkauften selbst angebautes Obst und Gemüse.

Doch das Pflücken von Erdbeeren, das Bündeln von Petersilie oder das Schneiden von Kopfsalat war für mich nichts anderes als eine lästige Pflicht.

Meine Großmutter, väterlicherseits, hatte wohl eher Einfluss auf meine späteren Interessen. Allwöchentlich im Sommer, fuhr ich mit ihr, mit dem Fahrrad, zum nahegelegenen Friedhof, um das Familiengrab zu pflegen und mit entsprechenden Frühlings- und Sommerblumen zu bepflanzen. Während dieser Pflanz- und Pflegeaktionen erzählte sie mir von den Verstorbenen unserer Familie. Oben rechts des Familiengrabes lag meine Urgroßmutter, die im hohen Alter nach dem 2. Weltkrieg verstorben war. Ich kannte ihr Lächeln nur von alten Fotos. Und dann war da noch Minna, meine Großtante, die mit 17 Jahren infolge eines Blindarmdurchbruches jäh aus ihrem jungen Leben gerissen wurde.

Erzählte meine Großmutter mir dann von meinem Großvater, ihrem Ehemann, der mit 60 Jahren an Krebs verstorben war, rollten ihr immer wieder Tränen über ihre Wangen.

Die in jedem Jahr gepflanzten rosa Eisbegonien schienen meine Großmutter mit ihrem schweren Schicksal etwas zu versöhnen.

Noch im hohen Alter von 85 Jahren fuhr sie regelmäßig mit ihrem Fahrrad, auf dem Gepäckträger eine kleine Kiste mit Blumen und in der rechten Hand einen Häcker, zum Grab ihres geliebten Mannes.

Im Anschluss dieser Friedhofsbesuche ging sie mit mir in ihren kleinen Garten       und pflückte üppige Sträuße ihrer selbstausgesäten Sommerblumen. Meine Aufgabe war es, die Zinien, Astern und Dahlien, in Vasen, für den kommenden Sonntag zu arrangieren.

Ja, und dann gab es noch die kleine Gärtnerei in unserer direkten Nachbarschaft. Ich nannte dieses ältere kinderlose Ehepaar einfach Tante und Onkel. Auf ihrem Grundstück befand sich ein ca. 20 m langes Gewächshaus, in dem sie während des ganzen Jahres Sommerblumen für Gärten und Friedhof unseres kleinen Ortes züchteten und anschließend verkauften. Ich liebte es, im Winter, in dem mit Kohle und Holz beheizten Gewächshaus, neben Tante zu sitzen und ihr beim Pikieren der jungen Pflänzchen zu zuschauen. Im Sommer standen dann alle Arbeitsflächen voll Geranien, Fuchsien und Gloxinien.

Ich kann nicht genau sagen, was mich an diesem Ort so faszinierte; ich fühlte mich dort einfach wohl, zwischen dem Geruch von warmer Erde und duftenden Blüten.

Den größten Einfluss auf mein Naturempfinden hatten aber sicherlich mein Großonkel und meine Großtante. Alljährlich fuhr ich in den Ferien zu ihnen und verbrachte die Sommerzeit in ihrem wunderschönen Garten. Ging ich durch das Gartentor, begrüßten mich rechtsseitig duftende Jasminbüsche und linksseitig üppige Beete mit Teerosen der Sorte „Gloria Day“.

Immer, wenn ich an diesen Rosen vorüberging, steckte ich meine Nase in die Blüten, um ihren Duft tief einzuatmen. Im Frühjahr pflückte ich kleine Sträußchen von Stiefmütterchen, die überall verteilt wuchsen. Zwei kleine Vasen, mit einem goldenen Bauch, erinnern mich noch heute an dieses unvergessliche Zeremoniell.

Meine erste Begegnung mit einer Heilpflanze geht auch auf diese Zeit meiner Kindheit zurück. Es war die Begegnung mit Geranium, dem „Stinkenden Storchschnabel“. Die kleinen zarten rosa Blüten berührten, trotz des strengen Pflanzengeruches, mein Herz.

Erst ca. 40 Jahre später entdeckte ich diese Pflanze, durch meine tiefe Dufterinnerung, neu und erfuhr, dass ihre Urtinktur bei schweren Traumata eingesetzt werden kann. Besucher in meinem Garten lasse ich immer wieder an dieser Heilpflanze schnuppern. Manche empfinden sie wirklich als „Stinkenden Storchschnabel“ und andere, wie ich, lieben diesen Geruch. Ich verbinde halt mit diesem Geruch wunderschöne Erinnerungen.

All diese Kindheitserfahrungen legten für mich ein festes Fundament zur Natur, was dann aber für viele Jahre verschüttet wurde.

Erst nachdem mein nunmehr geschiedener Ehemann und ich vor vielen Jahren das jetzige Grundstück des „Heilenden Gartens“ erwarben, wurden allmählich meine vorhandenen Interessen an der Natur wieder geweckt. Nach und nach entstand mit viel Liebe  mein heutiger Garten mit einer umfangreichen Heilpflanzensammlung.

Ja, ich möchte sagen, dass mein Garten im Laufe der Jahre zu einem heilenden Ort gewachsen ist. Immer wieder betonen Besucher, dass sie ein Gefühl von tiefem Frieden empfinden, sobald sie meinen Garten als Ganzes wahrgenommen haben.

Speziell zu den Heilpflanzen kam ich durch schwere Erkrankungen meiner Kinder. Ich suchte nach neuen Wegen, da wo Schulmedizin und Pharmaindustrie trotz großer Errungenschaften nicht weiterkamen. Wenn ich auch nicht immer die richtige Heilpflanze fand, so zeigte mein „Heilender Garten“ mir doch immer neue alternative Lösungsmöglichkeiten. In manchmal scheinbar ausweglosen Lebenssituationen, umarmte ich hilfesuchend  meine alte Trauerweide und hoffte auf neue Impulse für die Bewältigung meines zukünftigen Weges.

Und immer ging es irgendwie weiter, sowie Dietrich Bonhöfer es in einem seiner bekannten Gedichte schreibt: „Von guten Mächten wunderbar geborgen….“

Ja, mein Garten ist von vielen guten Mächten wunderbar umgeben, und daran möchte ich viele Menschen teilhaben lassen. Möchte man diese guten Mächte spüren, setzt es allerdings eine große Achtsamkeit gegenüber der Natur bzw. der gesamten Schöpfung voraus. Achtsamkeit gegenüber der heilkräftigen Brennnessel, dem Regenwurm im Kompost, meinem Labrador Sam und dem nächsten Menschen. Alles hängt mit allem zusammen, nichts ist im „Alleine“ existent.

Stehe auf Nordwind, und komm Südwind

und wehe durch meinen Garten,

dass seine Düfte strömen….

Hoheslied 4,12-16

Der Heilende Garten

Der etwa achthundertquadratmeter große Garten ist von allen Seiten, – im Osten von einer Hainbuchen-, im Süden von einer Benjes-, im Westen von einer Efeu-Thujahecke und im Norden von einer alten schützenden Ziegelsteinmauer umgeben.

Duftrosen, Stauden und Frühjahrsblüher flankieren hundert verschiedene heimische Heilpflanzen. Buchshecken und-büsche geben dem Garten auch im Winter eine ruhige sichtbare Struktur.

Der von meinen Enkelkindern benannte „Geheimgang“ führt über einen laubenartig bewachsenen Erdwall, der die Verkehrsgeräusche der Lindenstraße im Süden dämmt. Im Frühsommer fällt der Blütenduft der hohen Linden in meinen Garten und verbindet sich mit dem Flieder- und Ebereschenduft zu einem betörenden natürlichen Parfum.

Vier dreißigjährige Bäume, eine Eiche, ein Ahorn, eine Eberesche und eine dominierende Trauerweide vermitteln durch ihre Höhe den Eindruck eines sakralen Raumes. Gartenschilder, beschriftet mit Lebensweisheiten, unterstreichen die Verbindung von Natur und Spiritualität.

Ich wünsche mir, dass der Besucher, der den Heilenden Garten durch ein schmiedeeisernes Tor betritt, sich nicht nur über die große Kraft von Heilpflanzen informieren kann, sondern auch einen Ort vorfindet, der ihm tiefen inneren Frieden und Kraft für seine zukünftigen Lebensschritte geben kann.

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